Digitalisierung
und metrische Kulturen

Engagierte Studien
zum gesellschaftlichen Wandel

Forschungsfeld

Soziologie der digitalen Transformation

Ausgehend vom Forschungscluster „Postmediale Wirklichkeiten“ (2008 bis 2010) begann ich, mich mit dem Trend der digitalen Selbstvermessung zu beschäftigen. Unter Lifelogging verstehe ich dabei den Versuch, das Leben eines Menschen in Echtzeit zu erfassen, indem alle Verhaltens- und Ereignisspuren multisensorisch aufgezeichnet, in einem digitalen Erinnerungsspeicher abgelegt und zum späteren Wiederaufruf vorrätig gehalten werden. Das Spektrum reicht dabei von Self-Tracking als Gesundheitsmonitoring über die Vermessung am Arbeitsplatz bis hin zu digitalen Gedächtnissen (Digital Memory/Total Recall) oder der Idee digitaler Unsterblichkeit.

These der rationalen Diskriminierung

Ergebnisse zu Lifelogging – der metrischen Protolollierung des eigenen Lebens – publizierte ich in Monographien, Sammelbänden und Fachartikeln. Zentral ist hierbei die These der rationalen Diskriminierung. Sie geht davon aus, dass mit der Steigerung numerischer Differenzierung auch eine neue soziale Kategorisierung entsteht. Scheinbar objektive Formen der Datenerfassung münden in die Neuordnung des bislang bekannten Prinzip des Sozialen. Menschen nehmen sich (selbst) zunehmend mit gesteigerter Abweichungssensibilität vom „Normalfall“ wahr.

Metrische Kulturen als Teilaspekt der Digitalisierung

In metrischen Kulturen kommt es nicht nur zu einer Ausweitung der Vermessungszone, d.h. immer mehr Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens werden quantifizierbar gemacht. Vielmehr kommt es auch zur Entgrenzung der Vermessungspraktiken und Bedeutungszuweisungen.

Zeitgenössische metrische Kulturen wachsen zur metrischen (bzw. assisistiven) Kolonialisierung aus. Zur politischen Disziplinierungsfunktion der Daten gesellen sich drei neue Dimensionen: neue Ontologien, neue Metaphern sowie neue Sichtweisen auf Körper und Selbst. Verbunden damit sind neue Denkweisen, neue Machtkonstellationen, Wertefragen sowie Fragen zur Handlungsträgerschaft und Identität. Metrische Kolonialisierung führt damit zu Rekonfigurationen auf unterschiedlichen Maßstabebenen: zwischen Individuen und deren Körper, zwischen Bürgern und Institutionen sowie zwischen dem Biologischen und dem Sozialen.

Forschungsprojekte

2019-2022

Digitaldialog 21: Gesellschaft im digitalen Wandel

Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (MWK)Baden-Württemberg untersucht das Drittmittelprojekt „Digitaldialog 21 – Transdisziplinäre Kartographie des digitalen Wandels zwischen partizipativer Gesellschaftsanalyse und transformativer Wissenschaft“ zusammen mit den Kooperationspartner Hochschule der Medien Stuttgart und Pädagogische Hochschule Ludwigsburg zukünftige Technologien, Praktiken und Denkweisen im Kontext des digitalen Wandels. Das Projekt liefert eine Antwort auf die Frage, in welcher digitalen Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Es dient der Bewertung aktueller Trends und liefert eine breite Wissensbasis zur Gestaltung der Gesellschaft. Es wird mit rund 1,1 Mio. Euro gefördert.
Zur Pressemeldung MWK

2019-2021

Big Data und Boni: Pay-as-you-live Tarife im Gesundheitswesen

Zunehmend vermessen Menschen ihren Gesundheitszustand digital und geben diese privaten Daten freiwillig an Dritte weiter. Krankenkassen und -versicherungen wiederum bieten Bonusprogramme und „Pay-as-you-live“-Tarife (PAYL) an, mit denen sie einen gesundheitsbewussten bzw. präventiven Lebensstil monetär oder mit anderen Leistungen belohnen wollen.

Das mit rund 160 Tsd Euro geförderte Projekt „Big Data und Boni. Pay-as-you-live-Tarife (PAYL) im Gesundheitswesen: Technologische Voraussetzungen und gesellschaftliche Folgen“ analysiert diese Praxis erstmals interdisziplinär sowie anwendungsbezogen und klärt sowohl die informationstechnischen Voraussetzungen von PAYL als auch die langfristigen gesellschaftlichen (d.h. individuellen, sozialen,ethischen und kulturellen) Folgen dieses Trends. Zur Projektwebseite.

2017-2020

VALID: Ethische Aspekte der digitalen Selbstvermessung

Das vom Bundesministerium für Gesundheit mit rund 450 Tsd. Euro geförderte Projekt „VALID – Ethische Aspekte digitaler Selbstvermessung im Gesundheitswesen zwischen Empowerment und neuen Barrieren“ dient der Erforschung des Zusammenhangs zwischen der numerischen Erfassungsfähigkeit von Körper- und Gesundheitszuständen durch digitale Selbstvermessung und einer sich wandelnden Sprachfähigkeit über Gesundheit in einer genuin ethischen Perspektive.

Ziel ist es, zur ethischen und gesundheitspolitischen Bewertung aktueller und zukünftiger Technologien der digitalen Selbstvermessung beizutragen. Das Ergebnis wird eine empirisch informierte und reflektierte Systematik sein, die als Grundlage für einen öffentlichen Diskurs und politische Handlungsempfehlungen nutzbar gemacht werden kann. Zur Projektwebseite